Wenn die Königin „ausfliegt“ Westseeland punktet
mit ursprünglicher Natur und Nähe zur Historie
Kalundborg. Auf Seeland, der größten der dänischen Ostseeinseln, liegt mit Kopenhagen die quirlige Metropole des meerumspülten Königreiches. Der Westen von Seeland hebt sich dagegen als eine sehr ursprüngliche Region hervor. Weil Touristen auf dem Weg in die Hauptstadt oder über den Øresund die Gegend viel zu oft “links liegen lassen” hat sie sich einen geradezu nostalgischen Charme bewahrt. Die Region punket vor allem mit überwältigender Natur und der allgegenwärtigen Nähe zur Historie. Wem viele andere dänische Regionen mittlerweile touristisch zu gut erschlossen sind, der findet hier Ruhe und Entschleunigung vom hektischen Alltag. Die Anreise erfolgt komfortabel über die Vogelfluglinie mit einer Scandline-Fähre oder über Jütland, Fünen und die beeindruckend lange Brücke über den Großen Belt.
Die Halbinsel Røsnaes ist ein beliebtes Ausflugsziel in Westseeland. Für Wanderer und Radfahrer gut erschlossen bietet sie immer neue atemberaubende Ausblicke auf die See. Am naturgeschützten Ende der Halbinsel, dem westlichsten Punkt von Seeland, steht ein liebevoll zum Info-Zentrum ausgebauter Leuchtturm, der den Besucher auf eine Zeitreise in die wechselvolle Geschichte der strategisch wichtigen Region mitnimmt. Eine aktive Gruppe von Røsnaes-Einwohnern hat sich auch um die Einrichtung von harmonisch in die Landschaft eingepasste Stationen gekümmert, die zum Verweilen einladen.
Wer nach vielen wunderbaren und spektakulären Ausblicken die Augen entspannen möchte, macht Halt im idyllisch gelegenen Dyrehøj Vinegård, dem größten Weingut Dänemarks. Seit 2008 werden hier im ehemaligen Kuhstall Weine produziert, vor allem Weißwein. „Wir mussten uns den Gegebenheiten anpassen”, erklärt Betina Newberry von der Winzer-Familie. Die Rebstöcke bekommen an der Küste der Halbinsel Røsnaes durch die langen Sommertage genug Licht und der mineralhaltige Boden liefert die nötigen Nährstoffe für ein gutes Gedeihen. Ein steter Wind pustet Krankheiten und Schädlinge fort. Auf dem 100 Jahre alten Hof wird mit deutschem Knowhow und deutschen Geräten unter Aufsicht eines Neuseeländers der Wein gekeltert und abgefüllt. „Wir sind auf dem Weg, einen Wein mit dänischer Seele zu produzieren und eine Tradition aufzubauen!”, lautet das ehrgeizige Ziel. Zwischen der Halbinsel Røsnaes und der benachbarten Halbinsel Asnaes liegt am Fjordende die Stadt Kalundborg mit ihrem mittelalterlichen Stadtkern und der fünftürmigen „Vor Frue Kirke” aus den Anfängen des 13. Jahrhunderts. Bei einem Bauvorhaben wurde außerdem das Fundament einer großen Burg gefunden und im Grundriss freigelegt. Eine umfangreiche Ausstellung zur Geschichte der Stadt findet sich im Kalundborg Museum. Mit ein bisschen Glück wird man von Ingeborg „persönlich”, der Tochter des Kreuzzug-Ritters Esbern Snare, durch die Stadt geführt.
Wenn Königin Margrethe II. mal einen Ausflug macht, dann kann es gut sein, dass sie im Kalundborger Lokal „Bispegården” am Fuße der fünftürmigen Kirche einkehrt. Dieser teilweise 600 Jahre alte frühere Bischoffssitz beherbergte bis vor gar nicht so langer Zeit den Stadtrat, jetzt etablieren ihn Jens Worsøe und seine Frau als Restaurant und organisieren dazu wechselnde Kunstausstellungen.In der Küche werden überwiegend biologische und regionale Produkte zu Speisen verarbeitet, die im beeindruckenden Ambiente des alten Gemäuers alle Sinne ansprechen und einen stimmigen Beitrag zur Philosophie der Region Westseeland leisten.
Ulla Kanning
Wochenspiegel am Sonntag
4. Juni 2017